Wozu brauchen wir Biodiversität?
Die Natur hat über lange Zeiträume Systeme geschaffen, die funktionieren und von denen der Mensch immer noch profitiert.
Allerdings stellt sich nun die Natur auf die menschengemachten Veränderungen ein – mit Maßnahmen, die uns nicht so gut gefallen. Um dem entgegenzusteuern hilft vereinfacht ausgedrückt alles, was das System wieder in „den alten“ Zustand zurück versetzt. D.h. wir müssen Änderungen rückgängig machen, die dazu führen, dass die Natur das System ändert.
Wenn wir die Mechanismen stören, die die Natur über Jahrtausende ausgeklügelt hat, passt die Natur sich an. Und das passt uns nun mal nicht so recht in den Kram.
„You can’t win against Mother Nature. So why not just work with her?” Monty Don (Gardener’s World)
Was kann ich tun?
1 Einheimische Hecken pflanzen
Hecken sind die „Autobahnen“ vieler Nützlinge. Sie bieten Schutz, Nahrung und ein Zuhause für Insekten, Vögel und viele andere Tiere.
Während früher Bauern Hecken als Begrenzung anlegten und pflegten, sind sie inzwischen fast vollständig aus der deutschen Landschaft verschwunden. Einzig als Lärm – und Sichtschutz im privaten und öffentlichen Bereich findet man sie heute noch. Dann allerdings oft Kirschlorbeer und Thuja, die in unseren Breiten keinen ökologischen Mehrwert bieten und im Ranking sogar noch hinter einer mit Flechten bewachsenen Steinmauer liegen.
Eine Mischhecke aus Hasel, Weißdorn, Roter Hartriegel, Liguster, Hainbuche und Buche bietet eine wertvolle Alternative zu den exotischen Blockbustern. Sieht gut aus in Kombination mit der immergrünen Eibe für die Stellen, die auch im Winter 100% blickdicht sein sollen.
https://www.planet-wissen.de/natur/landschaften/wiese/pwiehecken100.html
http://www.naturtipps.com/heimische_gehoelze.html
2 Einheimische Blumen pflanzen
Pflanzen haben ihren festen Platz im Ökosystem – und sind damit lebensnotwendig für viele andere Lebewesen. Allerdings immer nur auf lokaler Ebene – die Natur hat jedes individuelle Ökosystem optimiert.
Daher bringen exotische Pflanzen ihre eigenen Probleme mit: entweder sie übernehmen die Kontrolle und verdrängen die einheimischen Pflanzen oder sie haben keinen nennenswerten Nutzen für die lokale „Bevölkerung“.
Weniger Schmetterlingsstrauch, Dahlien und Geranien, dafür mehr Salbei, Schafgarbe und Margerite.
Ungefüllte Blüten statt gefüllter Varianten.
Sinnvoll ist Diversität: verschiedene Größen, Blütenformen, Blühzeiten – damit möglichst vielen Tieren geholfen wird!
Inspiration für Wildblumen:
Invasive Arten:
3 Bodenversiegelung reduzieren
Bodenversiegelung bedeutet, dass das Regenwasser nicht an Ort und Stelle versickern kann. An versiegelten Stellen sammeln wir in der Regel das Wasser ein und leiten es über die Kanalisation in die Kläranlage. Von dort verteilen wir es wieder an die Haushalte. Oft reinigen wir sogar Regenwasser, weil es in der Kanalisation mit Schmutzwasser vermischt wird.
Die Folge dieses Wassermanagements ist, dass das Regenwasser nicht – wie es der natürliche Kreislauf vorsieht – ins Grundwasser zurückgeführt wird. Damit sinkt der Grundwasserspiegel immer weiter und die Wurzeln der Bäume reichen nicht mehr weit genug in die Tiefe. Versiegelung trägt somit zum Waldsterben bei.
Wir brauchen eine ausreichend dimensionierte Infrastruktur, um bei starken Regenfällen unsere Keller zu schützen.
Wenn wir den „Schwamm“ nutzen, auf dem wir leben, helfen wir den Pflanzen und unseren Häusern.
Wenn wir das Regenwasser dezentral sammeln, entlasten wir die Kanalisation und sparen somit viel Geld.
Massnahmen:
Garagen/Carports ohne lange Einfahrten planen
Entsiegelung wo möglich
Falls keine Entsiegelung möglich, Kübelgärten anlegen
4 Regenwasser sammeln
Dieser Punkt steht in einem engen Zusammenhang mit der Bodenversiegelung. In dem Moment, in dem wir ein Dach über dem Kopf haben wollen, versiegeln wir zwangsweise. Es geht an dieser Stelle nun darum, was wir mit dem Wasser machen, das auf den Flächen landet, die wir nicht entsiegeln wollen.
Rückführung des (relativ sauberen) Regenwassers in den Boden entlastet die Kanalisation und hilft der Vegetation Trockenperioden zu überleben.
Der Vordertaunus ist klassisch eine Region, in der es eher wenig Niederschlag gibt und die Klimamodelle der Uni Göttingen, die Hessen Forst nutzt, prognostizieren eine weitere Verschärfung des Themas bis 2070.
Statt Regenwasser also in die zentrale Kanalisation einzuleiten, wo es teilweise sogar noch teuer gereinigt wird, ist die direkte Zuführung in den Boden dezentral an Ort und Stelle sinnvoll. Alternativ zeitverzögert über eine Zisterne, die man zur Gartenbewässerung nutzt.
Maßnahmen:
Zisternen, Gartenteiche, Regengarten (flacher Teich ohne Folie an der tiefsten Stelle des Gartens, in dem überschwemmungstolerante Pflanzen angepflanzt werden).
https://www.gardendesign.com/eco-friendly/rain-gardens.html
5 Lichtverschmutzung reduzieren
Die Menschheit hat in vielen Teilen der Erde die Nacht abgeschafft. Was auf den ersten Blick praktisch erscheint, hat für Mensch und Tier drastische Folgen – besonders für nachtaktive Tiere und Insekten.
Der Wechsel von Tag und Nacht beeinflusst den Herzschlag, die Körpertemperatur, den Hormonhaushalt sowie den Schlaf- und Wachzyklus von Mensch und Tier. Außerdem bestimmt das Licht die Ruhe- und Aktivitätsphasen, Nahrungssuche und Fortpflanzung.
Eine Studie aus England hat aufgedeckt, dass beispielsweise die Raupenpopulation in beleuchteten Gegenden fast 50% niedriger ist als in dunklen Ecken.
Wir können an uns selbst beobachten, was es bedeutet, wenn die Nacht ausfällt – Schichtarbeiter leiden häufig an Depressionen, Krebserkrankungen, Bluthochdruck und anderen wenig wünschenswerten Leiden.
Während wir „nur“ krank werden, bedeutet der unendliche Tag für andere Lebewesen das Aus.
https://www.spektrum.de/news/lichtverschmutzung-schadet-menschen-und-tieren/1676336
Maßnahmen:
auf Gartenbeleuchtung verzichten
Straßenlaternen "smart" schalten, d.h. nur dann, wenn eine Bewegung registriert wird
nachts Rollläden herunterlassen
6 Wilde Ecken anlegen
Der beste Garten für „Wildlife“ ist der, den man in Ruhe lässt! Da wir selbst etwas gepflegtere Ecken bevorzugen, ist teilen eine gute Idee.
Viele Gärten haben von Natur aus Ecken, die nicht zum Entspannen einladen – dort kann z.B. Holz aufgeschichtet oder ein Kompost angelegt werden. Je unordentlicher, desto besser.
7 Kompost anlegen
Auch wenn viele Gemeinden uns die Arbeit über die grüne Tonne abnehmen, bietet ein Kompost im Garten - wie auch die wilden Ecken – einen tollen Lebensraum für kleinere Lebewesen.
Man kann sich auf diese Weise einfach seine eigene Bio-Erde herstellen und weiß dann tatsächlich, was drin ist! Added benefit ist das Wegfallen von Transportwegen.
Alternativen zum Kompost im Garten sind eine "Wormery" (Wurmkiste) und die Fermentation (Bokashi), die sich für Küchenabfälle eignen und auch ohne Garten möglich sind.
8 Lärm reduzieren
Auf den ersten Blick hat Lärm nicht viel mit Biodiversität zu tun. Studien zeigen aber, dass Insekten (z.B. Ameisen und Grillen) Probleme mit unnatürlichem Lärm haben. Grillen können nicht mehr beurteilen, welche Männchen „die besten“ sind, so dass die Population nach und nach schwächer wird. Bei Ameisen wird die Fortbewegung gestört, sie kümmern sich schlechter um den Nachwuchs, haben Schwierigkeiten, sich zu orientieren – um nur einige Faktoren zu nennen.
Maßnahmen:
weniger Auto fahren
weniger laute Helferlein nutzen (z.B. Hochdruckreiniger, Laubbläser, ...)
9 Weniger oft Rasen mähen
Rasen ist im Prinzip eine Monokultur, die durch den regelmäßigen Schnitt Lebewesen kaum Schutz und Lebensraum bietet.
Der perfekte Golfrasen ist aus Insektensicht dem Plastikteppich kaum überlegen – vor allem, wenn noch mit Dünger und Unkrautvertilger gearbeitet wird.
Maßnahmen:
Seltener mähen – z.B. „no mow May” (den ganzen Mai nicht mähen)
„Inseln“ stehen lassen und nur einmal zu Beginn des Winters mähen (sehr pflegeleicht)
Rasen ersetzen durch einheimisch Pflanzen
10 Pflanzen statt Steine
Menschen brauchen Pflanzen, auch wenn nicht allen die Pflege gleichermaßen Spaß macht. Wir fühlen uns in einer grünen Umgebung wohler als in einer grauen, wie das einfache Gedankenxperiment zeigt: der Gedanke, in einem Garten zu sitzen, mit Vogelgezwitscher, vielleicht noch einem kleinen Bachlauf ist angenehmer, als der, mit einem Kaffee im Pappbecher auf einem Parkplatz.
Leider gleichen viele Gärten inzwischen eher dem Parkplatz als der grünen Oase. Ist eben (auf den ersten Blick) pflegeleicht.
Ein zweiter, immer mehr in den Vordergrund rückende Aspekt ist die Aufheizung dieser „Gärten“ im Sommer. Deshalb sind inzwischen in vielen Gemeinden Steingärten verboten.
Hand aufs Herz: hast du im Sommer eine grüne Ecke, in der du dich wohlfühlst? Das kann genauso gut der Balkon in der Mietwohnung sein, der mit Töpfen verschönert wird.
Maßnahmen:
Es gibt durchaus pflegeleichte Alternativen zu Steinen, idealer Weise natürlich die Wildblumenwiese. Aber – abgesehen vom gedüngten Rasen - ist jegliche Bepflanzung besser als Steine. Und mit der Zeit kommt das Unkraut auch zwischen den Steinen hoch, was den Pflegeaufwand wieder erhöht.
11 Trockenmauern statt Beton
Trockenmauern bieten Tieren Unterschlupf und leisten somit einen wertvollen Beitrag zur Tierfreundlichkeit des Gartens. Gerne nisten sich auch Eidechsen dort ein und es ist im Sommer spannend zu beobachten, wer alles aus der Mauer gekrabbelt kommt.
Für Hobbygärter sind besonders die Nützlinge interessant, die sich dort einnisten oder ihr Futter finden.
Leider bieten Gala-Betriebe oft quadratisch-praktisch-gute Betonmauern an und tun sich mit Trockenmauern schwer.
Im Zweifelsfall einfach die Steine selbst beim Steinbruch bestellen und sich einen Handwerker suchen, der das Puzzle für einen aufbaut, falls man selbst keine Muse dazu hat.
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