Klima-Kommune: Offener Brief & 10 Vorschläge für den Aktionsplan
Seit dem Beitritt von Bad Soden zu dem Bündnis "Die Klima-Kommunen" im März 2022, auf das wir als Verein große Hoffnungen setzen, ist leider in der lokalen Klimapolitik noch nichts Konkretes passiert.
Auf Basis unseres Offenen Briefes vom 16.09.2022 und unseren 10 Vorschlägen für einen Aktionsplan streben wir einen zeitnahen, gemeinsamen Austausch mit Vertretern jeder Fraktion aus der Stadtverordnetenversammlung an.
Offener Brief: Bad Soden unternimmt bei weitem nicht genug gegen den Klimawandel!
16.09.2022
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Mitglieder des Magistrats,
sehr geehrte Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung,
die nachteiligen Folgen des fortschreitenden Klimawandels waren in diesem Sommer für alle sichtbar und spürbar. Wir wenden uns deshalb mit diesem offenen Schreiben an Sie, um ambitionierte lokale Klimaschutzmaßnahmen einzufordern, zu denen sich die Stadt dieses Jahr verpflichtet hat.
Denn Bad Soden ist im März 2022 Mitglied im Bündnis “Die Klimakommunen” geworden, nachdem darüber in der Stadtpolitik mehr als ein Jahr diskutiert wurde. Dieses Bündnis wurde bereits 2009 vom Land Hessen ins Leben gerufen; seine Mitglieder werden vom Land finanziell und administrativ bei der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen gefördert. Wir haben den Beitritt der Stadt sehr begrüßt und als wichtiges Signal verstanden, dass Bad Soden nun kommunale Maßnahmen zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes ergreifen will. Seit dem Beitritt ist allerdings nichts Konkretes passiert.
Als Klimakommune sollten im ersten Jahr des Beitritts sowohl eine Treibhausgasbilanz als auch ein Aktionsplan mit fünf Maßnahmen für die ersten fünf Jahre veröffentlicht werden - beides wurde von der Stadt bisher nicht in Angriff genommen. Nachdem uns mitgeteilt wurde, dass es sowohl für die Treibhausgasbilanz als auch für den Aktionsplan an Personal in der Verwaltung fehle, haben wir angeboten, als Verein die Treibhausgasbilanz für die Stadt ehrenamtlich zu erstellen. Daraufhin haben wir erfahren, dass die Belastung so stark sei, dass nicht einmal für die Bereitstellung der Daten bei der Stadt Kapazitäten vorhanden seien.
Das Land Hessen fördert in den Klimakommunen Maßnahmen zur Verringerung des CO2-Ausstoßes in erheblichem Umfang; bis zum Ende dieses Jahres gelten noch erhöhte Fördersätze. Diese Fördermittel hat sich die Stadt bislang entgehen lassen. Die Ausschreibung einer neuen Stelle kommt viel zu spät und der Stellenbeschreibung nach zu urteilen ist die Befassung mit dem Klimaschutz nur Nebensache. Ein Klimaschutzmanager wäre vom Land Hessen in 2022 vollständig gefördert worden und hätte sich in diesem Jahr darum kümmern können, weitere Fördermittel einzuwerben.
Auch unabhängig von der Inanspruchnahme von Fördermitteln unternimmt die Stadt zur Zeit bei weitem nicht genug, was uns und künftige Generationen vor den Folgen des Klimawandels schützen könnte. Nachfragen unsererseits, ob überhaupt eine Übersicht zu jährlichen Klimaschutzmaßnahmen für Bad Soden existiert, wurden verneint. Wir müssen deshalb leider feststellen, dass bislang ein strukturiertes Vorgehen beim Klimaschutz in Bad Soden nicht im Ansatz zu erkennen ist.
Wir möchten mit diesem öffentlichen Brief unser Angebot zur Kooperation und zur Erstellung einer Treibhausgasbilanz erneuern und formulieren im Anschluss an diesen Brief 10 konkrete Vorschläge für Maßnahmen zum Klimaschutz. Mit diesen Maßnahmen könnte sich Bad Soden mit einem ersten Aktionsplan ambitioniert auf den Weg zur Klimaneutralität machen. Sie sind als Impulse gedacht, um in einen Aktionsplan aufgenommen zu werden oder weitere Ideen für effektive Klimaschutzmaßnahmen passend zu Bad Soden anzuregen. Eine baldige Entscheidungsfindung ist uns dabei wichtig!
Gerne würden wir Ihnen in einem ersten Schritt die vorgeschlagenen Maßnahmen in einem Gespräch erläutern. Wir möchten dieses Gespräch so bald wie möglich führen, um schnellstmöglich Fortschritte beim Klimaschutz zu erzielen. An diesem Gespräch sollten aus unserer Sicht Mitglieder von jeder Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung, Sie, sehr geehrter Herr Bürgermeister, sowie Vertreter unseres Vereins teilnehmen.
Der Klimawandel schreitet mit schnellen Schritten voran und seine Bekämpfung erfordert ernsthafte Maßnahmen, die kurzfristig ergriffen werden müssen. Bitte zögern Sie deshalb nicht, kurzfristig mit uns Kontakt aufzunehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Philip Horster, Anna Bauerfeind, Dominik Buhl, Leonie Schenk und Ole Krause
Vorstand des Vereins
Klimabewusstes Bad Soden e.V.
info@klimabewusstes-bad-soden.de
Freiligrathstraße 22, 65812 Bad Soden.
Klimabewusstes Bad Soden e.V. ist ein eingetragener und gemeinnütziger Verein, der sich für Klimabewusstsein und die Verringerung klimaschädlicher Treibhausgasemissionen einsetzt. Ziel ist ein klimaneutrales Bad Soden. Der Verein besteht seit 2020 und lädt interessierte Bürgerinnen und Bürger jeden Alters ein, bei der Erreichung dieser Ziele mitzuwirken. Weitere Informationen sind auf der Homepage zu finden (www.klimabewusstes-bad-soden.de).
10 Vorschläge für die Erstellung einer Treibhausgasbilanz und eines Aktionsplans
1. Erstellung einer Treibhausgasbilanz
Wir erwarten, dass noch dieses Jahr eine Treibhausgasbilanz der Stadt erstellt wird. Die Erstellung dieser Bilanz innerhalb eines Jahres nach dem Beitritt zum Bündnis der Klimakommunen ist eine Bedingung für die Mitgliedschaft im Bündnis. Es wäre peinlich, wenn Bad Soden der Selbstverpflichtung nicht nachkommt und deshalb das Bündnis wieder verlassen müsste. Dabei ist der finanzielle Aufwand gering: Das Land stellt kostenlos eine Software zur Verfügung und bietet Schulungen zur Erstellung der Treibhausgasbilanz an. Wir erneuern unser Angebot als Verein Klimabewusstes Bad Soden zur Unterstützung der Stadtverwaltung.
Ähnliche Beispiele aus anderen hessischen Kommunen mit Vereinskooperationen: Rüsselsheim, Friedrichsdorf, Battenberg, Mühltal, Lohfelden
2. Solarkampagne
Eine erste Möglichkeit für aktiven Klimaschutz ist, eine Solarkampagne für die Bürgerinnen und Bürger Bad Sodens sowie die in Bad Soden ansässigen Betriebe zu starten. Dafür bietet das Bündnis der Klimakommunen ein umfangreiches Set an Marketing-Material und die Landesenergieagentur bietet technische Beratung für die Kommunen an. Wir haben der Stadt diesen Vorschlag bereits im Februar 2022 vorgestellt; heute ist eine solche Kampagne aufgrund der gestiegenen Energie- und Strompreise umso wichtiger und dringlicher. Ähnliche Beispiele aus anderen hessischen Kommunen: Kronberg, Abtsteinach
3. Photovoltaikanlagen auf öffentlichen Gebäuden
Die Stadt sollte außerdem nochmals prüfen, welche öffentlichen Dächer für Photovoltaikanlagen geeignet sind oder Energieunternehmen dazu einladen, die Dächer für eine Pachtung zu prüfen. Erste Analysen noch während der Amtszeit von Herrn Altenkamp im Jahr 2016 sind leider nicht abgeschlossen worden. Bürgerenergiegenossenschaften und anderen geeigneten Partnern sollte die Möglichkeit zur Pacht angeboten werden. Das Argument der Stadt, ihr würden bei einer Verpachtung Erträge entgehen, ist unplausibel, wenn auf den Gebäuden als Konsequenz jahrelang keine Photovoltaikanlagen angebracht werden. Wie ein Pachtmodell funktioniert, wird hier gut beschrieben. Ähnliche Beispiele aus anderen hessischen Kommunen: Hofheim am Taunus, Mörfelden-Walldorf
4. Flächenentsiegelung
Die Folgen von Starkregen und Sommerhitze führen klar vor Augen, dass Bad Soden in Bezug auf extreme Wetterereignisse nicht gut aufgestellt ist: kommt zu viel Regen, laufen die Keller und Garagen voll, kommt zu wenig, vertrocknen die Pflanzen. Die natürlichen Speichersysteme wurden immer weiter zerstört. Regenwasser wird zu großen Teilen in die Kanalisation oder in Rückhaltebecken geleitet und steht damit der Natur nicht mehr zur Verfügung. Resilienter wäre es, möglichst viel Wasser versickern zu lassen und die natürlichen Speicher zu nutzen – Stichwort “Schwammstadt”. Konkret bedeutet das weniger Flächenversiegelung – im Großen wie im Kleinen – sowie die Anforderung, dass auf einem Grundstück abgeregnetes Wasser direkt vor Ort versickern kann. Das ließe sich beispielsweise in Form von Regenmulden oder Zisternen realisieren. Unser Bedarf an Grundwasser kann nur dann weiterhin gestillt werden, wenn wir dafür sorgen, dass der Grundwasserspiegel nicht immer weiter absinkt. Hier sollte die Stadt entsprechende Maßnahmen ergreifen. Ähnliche Beispiele aus anderen hessischen Kommunen: Weiterstadt, Ortenberg, Seeheim-Jugenheim
5. Informationskampagne zum Thema Mehrweg
Die Corona-Pandemie hat zu einer deutlichen Zunahme von Einwegverpackungen und einer “Vermüllung” des öffentlichen Raums geführt. Im Interesse des Klimaschutzes, der Umwelt, des Stadtbilds und der Kostenersparnis ist der Einsatz von Mehrwegbehältern vorzuziehen. Ab 2023 wird dieser für viele Bereiche gesetzlich verpflichtend. Wir erhoffen uns daher von der Stadt, umgehend die Bevölkerung sowie die von der gesetzlichen Pflicht betroffenen Betriebe für das Thema Mehrweg zu sensibilisieren, um den Umstieg zu beschleunigen und zu erleichtern. Die Abstimmung über ein einheitliches Mehrwegkonzept in Bad Soden oder gar über die Stadtgrenzen hinaus (bspw mit Königstein) könnte hier viel bewirken. Ähnliche Beispiele aus anderen hessischen Kommunen: Königstein, Gießen, Rödermark, Rosbach v.d.Höhe, Battenberg
6. Waldbewirtschaftung
Die Stadt kümmert sich nicht selbst um ihren Wald, sondern beauftragt damit Hessen Forst in langfristigen Verträgen. Die Verhandlungen für die Jahre 2025 bis 2034 stehen demnächst an. Aktuell steht die Wirtschaftlichkeit im Vordergrund: Der Wald muss Geld verdienen, damit unter anderem die zahlreichen Waldwege finanziert werden können. Das bedeutet, dass der Wald mehr mit einem Maisfeld gemeinsam hat als mit einem intakten Urwald. Die Baumarten werden nicht nach ihrer Resilienz ausgewählt, sondern nach Wirtschaftlichkeit, der Wald wird so gestaltet, dass man einfach mit schwerem Gerät die Bäume anfahren kann. All das hindert den Wald daran, seiner natürlichen Aufgabe nachzugehen: Schaffung eines intakten Ökosystems, das Wasser speichert, die Temperatur reguliert und unsere Luft reinigt. Um dies wieder zu erreichen, sollten zumindest Teile des Waldes aus der Bewirtschaftung herausgenommen sowie menschliche Aktivitäten reduziert werden. Die Anzahl der Waldwege und deren Qualität sowie die Auswahl der Bäume bei Neupflanzungen sind kritisch zu überdenken. Der neue Waldwirtschaftsplan sollte deshalb so gestaltet werden, dass die Natur im Vordergrund steht und die Wirtschaftlichkeit an die zweite Stelle rückt. Ähnliche Beispiele aus anderen Kommunen: Rodgau, Nidderau, Butzbach
7. Förderung des Fahrradverkehrs
Ein großer Teil des CO2 wird im Straßenverkehr emittiert (dasselbe gilt für andere Schadstoffe). Die Stadt sollte deshalb schnellstmöglich den städtischen Verkehrsraum fahrradfreundlich gestalten, damit mehr Menschen ihre innerstädtischen Wege sowie die Wege in die Nachbarkommunen mit dem Fahrrad zurücklegen. Im Stadtentwicklungsplan 2030 (aus 2013) und im Mobilitätskonzept (aus 2021) wurden dazu gute Vorschläge gemacht, aber von der Stadt bislang nicht umgesetzt. Auf Basis dieser von der Stadt entwickelten Konzepte erwarten wir daher insbesondere, dass die Stadt eine sichere und komfortable Radinfrastruktur auf den Hauptverkehrsstraßen schafft (zum Beispiel mittels Radfahrstreifen). Um die Fahrräder sicher abstellen zu können, bedarf es zusätzlicher und gut sichtbarer Fahrradabstellanlagen (zum Beispiel Fahrradboxen am Bahnhof und am Marktplatz). Eine klimafreundliche Verkehrspolitik geht aber noch weiter: Dazu gehört zum Beispiel auch, dass die städtischen Angestellten ein Jobrad-Angebot erhalten, der städtische Fahrzeugpool durch E-Bikes ergänzt wird und von den Bürgerinnen und Bürgern ein E-Lastenrad ausgeliehen werden kann. Diese und weitere Vorschläge sind in dem Positionspapier dargestellt, das wir im November 2021 zusammen mit der Bad Sodener Ortsgruppe des ADFC, dem NABU Bad Soden sowie der Bad Sodener Ortsgruppe des BUND der Stadt vorgestellt haben. Ein Verweis auf Beispiele aus anderen Kommunen erübrigt sich deshalb an dieser Stelle.
8. Tempo 30 leben
Ein großer Teil der Straßen Bad Sodens ist als Zone 30 ausgewiesen. Häufig wird diese Geschwindigkeitsbeschränkung allerdings nicht eingehalten. Es zeigt sich immer wieder, dass Schilder und Kontrollen nur wenig helfen. Ein Blick in andere Kommunen und Länder macht deutlich, dass die Lösung eher in der Umgestaltung des Verkehrsraums liegt. Engere Fahrspuren, Bäume, Rad- und Fußwege sorgen dafür, dass die Autofahrer ihr Tempo reduzieren. Je mehr Fußgänger und Radfahrer unterwegs sind, desto mehr achten Autofahrer auch auf ihre Geschwindigkeit, nicht nur in einer gut frequentierten Altstadt. Es geht also einerseits darum, den Verkehrsraum attraktiver für nicht motorisierte Verkehrsteilnehmer zu gestalten, und andererseits darum, die Straßenflächen durch Bäume und intelligente Ampelschaltungen so zu verändern, dass die Höchstgeschwindigkeit eingehalten wird. Auf kommunalen Straßen liegen die Verantwortung und Möglichkeiten in der Hand der Stadt. Sofern Landesstraßen betroffen sind, sollte die Stadt offensiv auf Hessen Mobil zugehen.
9. Ladesäulenausbau
Die Verkehrswende hin zur E-Mobilität ist nur mit ausreichender Ladeinfrastruktur zu schaffen, nur gibt es bisher zu wenige öffentlich zugängliche Ladesäulen. Auch hier kann und sollte die Stadt mitgestalten. Zwar können Personen mit eigenen Garagen oder privaten Stellplätzen diese ebenfalls privat installieren, allerdings ist gerade in den dicht besiedelten Stadtgebieten ein signifikanter Anteil der Bevölkerung auf öffentliche Ladeplätze angewiesen. Hier braucht es eine städtische Initiative. Die Infrastruktur muss nicht zwangsläufig von der Stadt selbst finanziert werden, sondern es gibt weitere Optionen wie die Organisation von Ausschreibungen für den Bau von öffentlichen Ladesäulen und die aktive Suche nach Partnern, die an einer solchen Ausschreibung teilnehmen möchten. Die nationale Leitstelle für Ladeinfrastruktur hat dafür einen Leitfaden erstellt, in der noch viele weitere Möglichkeiten aufgezeigt werden.
10. Klimagourmet
Die interaktive Klimagourmet-Wanderausstellung liefert anschaulich und auf einfache Weise – ideal auch für Kinder/Schulklassen – Denkanstöße und Anregungen für eine klimafreundliche Ernährung: „In der mehrfach von der UNESCO ausgezeichneten Ausstellung können Besucher*innen die Themen Treibhauseffekt, Wahl der Lebensmittel, Produktionsaufwand und Transport an verschiedenen Stationen erfassen, ohne lange Texte und komplizierte Diagramme entziffern zu müssen. Die Besucher*innen können durch Vergleichen von Flächen, Wiegen, Hochziehen, und anderen grafischen und dreidimensionalen Anreizen die Themen sensorisch und visuell begreifen.” (Klimagourmet Frankfurt). Über die Ernährung lässt sich u.a. der individuelle CO2-Ausstoß verringern. Würde die Ausstellung in Bad Soden gezeigt und von der Stadt prominent beworben, könnten den Bürgerinnen und Bürgern Impulse gegeben werden, sich mit ihrer Ernährung und den Klimafolgen auseinanderzusetzen. Ähnliche Beispiele aus anderen hessischen Kommunen: Frankfurt am Main, Rüsselsheim am Main, Neu-Isenburg, Kaufungen